In diesem Saal, dessen breite Fensteröffnungen in der majestätischen Fassade nach Ligornetto, den Geburtsort von Vincenzo Vela, weisen, befinden sich Gipsmodelle einiger wichtiger Standbilder, die Frauenfiguren als allegorische Bedeutungsträgerinnen darstellen. Die meisten - wenn auch nicht alle diese Werke - waren für Grabmale bestimmt, wobei sich Vincenzo Vela auf eine jahrhundertealte Tradition beruft, die ihren Ausdruck sowohl in der Plastik als auch in der Malerei findet. Dennoch übernahm der Bildhauer diese Tradition nicht einfach, vielmehr gestaltete er sie mit den besonderen und unverwechselbaren Merkmalen seiner eigenen plastischen Sprache um. Auf diese Weise entstanden in vielen Fällen schmeichlerisch-malerische Effekte, insbesondere, was die Darstellung der Haartracht anbelangt. Der Bildhauer wahrte aber dennoch immer die formale Komponente, verbunden mit dem subtilen Ausdruck seiner Vorlieben und Ideale.
Diese Statuengruppe entstand auf private Initiative einiger patriotischer Damen in Mailand, die das Standbild Eugénie, der Kaiserin der Franzosen und Gattin Napoleons III., zueignen wollten. Tatsächlich unterstützte Frankreich zur Zeit des Zweiten Kaiserreichs entscheidend das nationale Bestreben Italiens, weshalb im Werk Velas mit suggestiver Zweideutigkeit auf die Beziehung zwischen den beiden Staaten hingewiesen wird. Und nicht nur das: Die teilweise Nacktheit der Figur, die Italien darstellt, erscheint überdies wie eine subtile polemische Andeutung hinsichtlich der niemals ganz vollzogenen Emanzipation des Landes von ausländischen Machthabern.
Marmor, 1862, Compiègne, Schloss von Compiègne
Den oberen und mittleren Teil des Kenotaphs des Musikers (1797-1848) fertigte der Bildhauer im Auftrag der Familie Donizetti an. Dabei griff Vela auf eine allegorische Darstellung zurück, indem er die Figur einer jungen, grazilen Frau modellierte, die mit Sternen bekrönt ist und sich in melancholischer Haltung über ihre Leier beugt - tatsächlich beweint sie den Tod des Komponisten.
Marmor, 1855, Bergamo, Santa Maria Maggiore
Es mag seltsam anmuten, dass Vincenzo Vela für das Gipsrelief des Begräbnisdenkmals von Donizetti diese lebhafte Darstellung von Putten wählte. Sie verkörpern die sieben Noten und werden mal weinend, mal aufgebracht, zuweilen gar gekränkt abgebildet, da sie von ihrem geliebten Komponisten verlassen wurden. Der Bildhauer erneuert hier mit erstaunlicher Wirkung die Ikonografie musizierender Putten, die ihren Ursprung in der Renaissance hat, wobei er jedoch eine freimütige und ausdrucksstarke Lebendigkeit einfliessen lässt.
Marmor, 1855, Bergamo, Santa Maria Maggiore